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OLG München: Vergütung des Terminsvertreters ist keine „Auslage“

22.09.2022 , Redaktion fixthedate.de
Terminsvertreter Vergütung Auslagen gegenüber Mandant
Terminsvertreter Vergütung Auslagen gegenüber Mandant

OLG München Beschluss vom 12.8.2022 – Aktenzeichen 11 W 467/22

Vorinstanzen:
LG München I – Aktenzeichen 28 O 16198/18

Normen: RVG §§ 5, 10; VV-RVG Vorb. § 7 Abs. 1; ZPO §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 2 Satz 1

Leitsätze

Beauftragt der Hauptbevollmächtigte den Terminsvertreter im eigenen Namen (entsteht die Vertragsbeziehung also nicht zwischen Partei und Terminsvertreter), kann der Hauptbevollmächtigte die von ihm dem Terminsvertreter geschuldete Vergütung gegenüber dem Mandanten nicht als „Auslage“ im Sinne von Vorb. 7 Abs. 1 VV-RVG i. V. m. §§ 675, 670 ff. BGB geltend machen (vgl. BGH, 13.07 2011 – IV ZB 8/11; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.07.2012 – 14 W 400/12: „Wer die Musik bestellt, bezahlt“).

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Diesel-Abgasskandal“. Der in München ansässige Kläger beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei in Düsseldorf mit der Prozessvertretung vor dem Landgericht München I. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 27.01.2020 trat für die Klagepartei mit Terminsvollmacht Rechtsanwalt … auf.

Mit Endurteil des Landgerichts München I vom 03.02.2020 wurden die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Gegen das Endurteil vom 03.02.2020 legte die Beklagte Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München vom 26.07.2021 trat für die Klagepartei mit Terminsvollmacht Rechtsanwalt … auf.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 13.09.2021 (3 U 1418/20) wurden die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 10.11.2021 machte der Kläger für das erstinstanzliche und das zweitinstanzliche Verfahren Rechtsanwaltskosten von 1.692,78 € (brutto) bzw. 2.451,40 € (brutto) geltend. In Ansatz gebracht wurden u.a. für das erstinstanzliche Verfahren Kosten des Terminsvertreters nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB in Höhe von 200,00 € (netto) zuzüglich 19 % Umsatzsteuer sowie für das zweitinstanzliche Verfahren ebenfalls Kosten des Terminsvertreters nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 S.2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB in Höhe von 220,00 € (netto) zuzüglich 19 % Umsatzsteuer. Vorgelegt wurden die Rechnungen der beiden Terminsvertreter, gerichtet jeweils an den Prozessbevollmächtigten des Klägers und versehen mit einem Hinweis auf die Honorarvereinbarung.

Die Beklagte widersprach der Festsetzung der Terminsvertreterkosten: Bei Beauftragung des Terminsvertreters durch den Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen seien weder Aufwendungen des Prozessbevollmächtigten für den Terminsvertreter noch fiktive Reisekosten erstattungsfähig.

Das Landgericht München I setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.12.2021 die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten der I. und II. Instanz auf 4.523,38 € nebst Zinsen fest. Dabei brachte es die Terminsvertreterkosten für beide Instanzen mit der Begründung in Abzug, der unmittelbar durch den Prozessbevollmächtigten beauftragte Terminsvertreter sei als Erfüllungsgehilfe des Hauptbevollmächtigten aufgetreten, die hierfür angefallenen Kosten seien mit der Terminsgebühr abgedeckt; damit seien weder fiktive Reisekosten des Hauptbevollmächtigten noch die in Rechnung gestellten Kosten des Terminsvertreters festsetzungsfähig. Im Übrigen wurde die geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten antragsgemäß berücksichtigt.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.12.2021 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 22.12.2021 sofortige Beschwerde ein, die sich gegen die Absetzung der Auslagen für die Terminsvertreter in Höhe von 238,00 € (brutto) für die I. Instanz und in Höhe von 261,80 € (brutto) für die II. Instanz richtet. Es sei davon auszugehen, dass die Hinzuziehung des Hauptbevollmächtigten als auswärtigem Rechtsanwalt notwendig gewesen sei; anderslautende Ausführungen enthalte der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht. Insoweit wären für die Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten fiktive Reisekosten von 436,60 € pro Termin entstanden (2 × 611 km × 0,30 €/km + 70,00 € Abwesenheitsgeld). Auch unter der Annahme, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts zu verneinen sei, wären fiktive Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im jeweiligen Gerichtsbezirk in Ansatz zu bringen, also für das erstinstanzliche Verfahren 49,00 € (2 × 40 km × 0,30 €/km + 25,00 € Abwesenheitsgeld) und für das zweitinstanzliche Verfahren 181,00 € (2 × 235 km × 0,30 €/km + 40,00 € Abwesenheitsgeld). Die Entstehung der Auslagen beim Prozessbevollmächtigten des Klägers durch die Terminsvertretung sei durch die Rechnungen der beiden Terminsvertreter nachgewiesen. Die Rechnungen seien durch die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten auch bezahlt worden. Diese Auslagen könne der Anwalt seinem Auftraggeber nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV i.V.m. §§ 675, 670 BGB in Rechnung stellen, was hier geschehen sei. Es handele sich um konkret mandatsbezogene Ausgaben, die als Auslagen abgerechnet werden könnten. Es sei auch unerheblich, ob die Beauftragung eines Terminsvertreters hier notwendig gewesen wäre, da seine Kosten jedenfalls bis zur Höhe der ersparten Reisekosten eines Hauptbevollmächtigten zuzüglich eines Zuschlags von 10 % zu erstatten seien. Soweit das Landgericht die Entscheidung des BGH vom 13.07.2011 – IV ZB 8/11 herangezogen habe, greife diese Rechtsprechung hier nicht. Dort seien nämlich die Kosten eines Terminsvertreters im Namen der Partei angemeldet, zur Glaubhaftmachung jedoch eine Rechnung des Terminsvertreters vorgelegt worden, die an den Hauptbevollmächtigten adressiert gewesen sei. Die Festsetzung sei daher wegen fehlender Glaubhaftmachung abgelehnt worden. Im vorliegenden Fall verhalte es sich aber so, dass die Partei die Kosten eines Terminsvertreters nicht im eigenen Namen geltend machte, sondern von vornherein nur die Kosten des Prozessbevollmächtigten, der den Terminsvertreter selbst beauftragt habe. In der Rechtsprechung werde teilweise verkannt, dass es sich bei den Kosten, die der Hauptbevollmächtigte dem von ihm im eigenen Namen beauftragten Terminsvertreter zahle, um Auslagen handele, die an die Stelle der Reisekosten träten. Letztlich komme die Kostenersparnis, die dadurch entstehe, dass durch die unmittelbare Beauftragung eines Terminsvertreters durch den Hauptbevollmächtigten eine Pauschale vereinbart werden könne, auch dem erstattungspflichtigen Gegner zugute.

Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Beschwerdeentscheidung vor.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 € gemäß § 567 Abs. 2 ZPO ist vorliegend erreicht. Der Wert der Beschwer ist aus der Differenz zwischen dem erlangten oder auferlegten Kostenbetrag und der mit der Beschwerde erstrebten Abänderung zu berechnen (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 43. Auflage, zu § 567 Rn. 14). Vorliegend begehrt der Kläger mit der Beschwerde die Berücksichtigung von zusätzlichen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 238,00 € für die I. Instanz und von 261,80 € für die II. Instanz. Insofern ergibt sich ein Beschwerdewert von 499,80 €.

Das Rechtsmittel der Klagepartei bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht München I die geltend gemachten Kosten für die Terminsvertreter nicht in Ansatz gebracht. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss und dem Nichtabhilfebeschluss vom 18.03.2022 wird Bezug genommen.

1. Aus dem Sachvortrag der Klagepartei ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Hinzuziehung eines sogenannten Rechtsanwaltes am dritten Ort nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier erforderlich gewesen wäre. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist („Rechtsanwalt am dritten Ort“), sind regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – I ZB 21/03, NJW-RR 2004, 855, 856 – Auswärtiger Rechtsanwalt III; Beschl. v. 11.3.2004 – VII ZB 27/03, NJW-RR 2004, 858 f.; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rdn. 13 „Reisekosten des Anwalts“, m.w.N.). Soweit die Partei – wie hier – ihren Wohnsitz am Gerichtsort unterhält, hätte dies zur Folge, dass die tatsächlich entstandenen Reisekosten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines Anwaltes erstattungsfähig wären, der an dem vom Gerichtsgebäude am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks ansässig ist (BGH, Beschluss vom 04.12.2018 – VIII ZB 37/18). Letztlich kann die Frage der Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes am dritten Ort vorliegend jedoch offen bleiben, denn – wie das Landgericht zutreffend ausführt – steht dem Kläger der Ersatz der Terminsvertreterkosten weder unter dem Gesichtspunkt ersparter Reisekosten seines Prozessbevollmächtigten noch als Auslagen seines Prozessbevollmächtigten nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB zu. Tatsächlich entstandene Reisekosten des Hauptbevollmächtigten stehen hier unstreitig nicht im Raum.

2. Im Rahmen des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs können nur die auf Grundlage des RVG angefallenen gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes nach § 91 Abs. 2 S.1 ZPO zur Erstattung festgesetzt werden. Rechtsanwaltskosten, die auf einer Honorarvereinbarung beruhen, sind hingegen grundsätzlich bei der Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigen (so auch Hansens in RVGreport 2013, 95 [96]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24.01.2018 – VII ZB 60/17 zum Begriff der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts im Sinne des § 91 ZPO).

3. Erstattungsfähige gesetzliche Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des RVG fallen für einen Terminvertreter nur an, wenn dieser von der Partei selbst beauftragt wird, nicht aber, wenn deren Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen den Auftrag zur Terminvertretung erteilt (BGH, Beschluss vom 13.07.2011 – IV ZB 8/11 – juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 25. Juli 2012 – 14 W 400/12 –, juris; so zuletzt auch Senatsbeschluss vom 27.10.2021 – 11 W 1283/21 oder bereits Beschl. v. 14.11.2014 – 11 W 1957/14). Vorliegend erfolgte unstreitig die Mandatierung der Terminsvertreter durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers in deren eigenem Namen und auf Grundlage einer zwischen den Rechtsanwälten getroffenen Vergütungsvereinbarung. Diese Vergütungsvereinbarung richtet sich nicht nach den Vorschriften des RVG (BGH, Urteil vom 29.06.2000 – I ZR 122/98 –, juris).

Lediglich wenn die Beauftragung des Terminsvertreters durch die Partei selbst, also nicht wie hier eine Beauftragung durch den Prozessbevollmächtigten in eigenem Namen, erfolgt wäre, womit im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant tatsächlich durch die Einschaltung eines Terminsvertreters eine gesetzliche Vergütung nach RVG angefallen wäre, ist höchstrichterlich anerkannt, dass diese Kosten erstattungsfähig sind, wenn sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten, erstattungsfähigen (fiktiven) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (BGH NJW 2003, 898; NJW-RR 2005, 707; NJW 2006, 3008). Dies ist hier jedoch mangels Anfall der gesetzlichen Vergütung für die Terminsvertretung nicht der Fall.

4. Soweit teilweise in der Literatur und vereinzelt auch in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, die dem Prozessbevollmächtigten aufgrund der pauschalen Vergütungsvereinbarung mit dem Terminsvertreter entstandenen Kosten seien als Auslagen des Hauptbevollmächtigten nach Vorbemerkung Teil 7 Anm. Abs. 1 VV RVG i.V.m. §§ 670, 675 BGB, ähnlich den Kosten von Hilfspersonen, im Rahmen der Kostenfestsetzung – zumindest bis zur Höhe der ersparten (fiktiven) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten – erstattungsfähig (so Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage, zu VV 3401 Rn. 137 b und N. Schneider in AGS 2018, 489 ff; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 5.03.2007 – 10 WF 45/07 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 1.11.2004 – 19 WF 222/04 –, juris), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen:

a) „Auslagen“ im Sinne von Teil 7 des VV RVG sind regelmäßig Aufwendungen, die dem Prozessbevollmächtigten im Zuge der auftragsgemäßen Erfüllung seiner anwaltlichen Tätigkeit entstehen, nicht, wie hier, solche Kosten, die dadurch anfallen, dass er die von ihm geschuldeten originären anwaltlichen Leistungen nicht in eigener Person erbringt, sondern anderweitig einkauft (vgl. die ausführliche Darstellung und Abgrenzung des Auslagenbegriffs bei OLG Hamm, Beschluss vom 15.10.2019 – 25 W 242/19). Die Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit, zu der auch die Wahrnehmung gerichtlicher Termine zählt, erfolgt grundsätzlich auch im Falle der Stellvertretung im Sinne von § 5 RVG ausschließlich über die Anwaltsgebühren, hier namentlich durch die Terminsgebühr; daneben besteht kein Raum für einen Auslagenersatz des Prozessbevollmächtigten für die Kosten, die ihm durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstehen (so überzeugend OLG Hamm aaO; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2017 – 8 W 321/15, JurBüro 2017, 538 und LG Flensburg, RVGreport 2018, 388 mit zust. Anm. von Hansens; vgl. auch dessen Darstellung in RVGreport, 2012, 248 ff).

b) Es wäre dem Rechtspfleger, nachdem sich die Höhe der Aufwendungen für die Terminsvertreter nicht nach dem RVG oder festen Stundensätzen richtet, sondern aus einer Pauschalhonorarvereinbarung zwischen Hauptbevollmächtigten und Unterbevollmächtigten resultiert, auch nicht möglich, die tatsächlich angefallenen Kosten auf Angemessenheit oder möglichen Rechtsmissbrauch hin zu überprüfen. Allein die Deckelung dieser Aufwendungen bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten entbindet nicht von der Überprüfung der tatsächlich entstandenen Kosten.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

6. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die hier zu entscheidende Rechtsfrage des Bestehens eines Erstattungsanspruchs bezüglich der durch die unmittelbare Beauftragung eines Terminsvertreters seitens des Hauptbevollmächtigten entstandenen Kosten als Auslagen des Prozessbevollmächtigten umstritten ist und eine eindeutige Aussage des BGH hierzu noch nicht vorliegt.