Registrieren
Startseite

BGH: Erstattungsfähigkeit notwendiger Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts

08.12.2022 , Redaktion fixthedate.de
Ausländische Verkehrsanwältin am Laptop
Ausländische Verkehrsanwältin am Laptop

BGH Beschluss vom 8.3.2005, Aktenzeichen VIII ZB 55/04

Vorinstanzen:
OLG Stuttgart – 8 W 234/03
LG Ulm

Sachverhalt

Nachdem die Parteien vor dem LG Ulm den Prozessvergleich v. 13.11.2002 geschlossen hatten, haben sie im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren neben den unstreitigen Gebühren für die Prozessbevollmächtigten in Ulm Kosten für die Einschaltung ausländischer Rechtsanwälte geltend gemacht, und zwar die Klägerin Kosten i.H.v. 24.425,25 EUR für ihren Rechtsanwalt in London und einen weiteren Anwalt in Italien, die Beklagte für zwei Londoner Rechtsanwälte Kosten i.H.v. 16.129,95 EUR.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 27.3.2003 hat der Rechtspfleger beim LG für die Klägerin neben den Kosten des deutschen Prozessbevollmächtigten eine Verkehrsanwaltsgebühr i.H.v. 821,44 EUR, für die Beklagte zwei entsprechende Gebühren i.H.v. zusammen 1.642,88 EUR als erstattungsfähig festgesetzt. Hiergegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, sämtliche angefallenen Kosten ihrer Londoner Rechtsanwälte in Ansatz zu bringen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Gründe

... Der Höhe nach hat das Beschwerdegericht zu Recht die von der Beklagten geltend gemachten Kosten ihres englischen Verkehrsanwalts auf zwei Gebühren nach §§ 23, 52 Abs. 1 BRAGO, die vorliegend noch anwendbar sind, begrenzt. Zwar umfasst nach bislang herrschender Meinung der Erstattungsanspruch gegen die unterlegene Partei der Höhe nach sämtliche Kosten, die der ausländische Verkehrsanwalt seiner Partei gemäß dem Recht seines Heimatstaates berechnet hat (OLG Bremen v. 5.6.2001 – 2 W 62/01, OLGReport Bremen 2001, 363; OLG Celle JurBüro 1986, 281; OLG Hamburg JurBüro 1988, 1186; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 Rz. 13 – Verkehrsanwalt; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, Nr. 5.3 – Verkehrsanwalt, m.w.N.). Demgegenüber wird aber auch die Ansicht des Beschwerdegerichts geteilt, dass die Kosten eines ausländischen Rechtsanwalts nur in Höhe der Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts zu erstatten sind (OLG München JurBüro 2004, 380 [381]; v. 29.5.1998 – 11 W 1388/98, MDR 1998, 1054 = OLGReport München 1998, 334 = NJW-RR 1998, 1692 [1694], bezüglich der Tätigkeit eines ausländischen Prozessbevollmächtigten in Zusammenarbeit mit einem deutschen Einvernehmensanwalt; vermittelnd OLG Frankfurt JurBüro 1985, 1102 [1103]).

Die letztgenannte Ansicht ist richtig. Das Beschwerdegericht hat zu Recht ausgeführt, dass deutsches Recht nicht nur für die Frage der generellen Erstattungsfähigkeit der Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts nach § 91 ZPO, sondern auch für die Höhe dieser Kosten maßgeblich ist. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, in einem solchen Fall die Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei nach zwei verschiedenen Rechtsordnungen zu beurteilen, nämlich hinsichtlich des Grundes nach dem inländischen Verfahrensrecht und hinsichtlich der Höhe nach dem Heimatrecht des ausländischen Verkehrsanwalts der Gegenseite. Die ausländische obsiegende Partei kann nicht einerseits die Vorteile einer Erstattungspflicht gem. §§ 91 ff. ZPO, auf Grund derer – möglicherweise anders als nach ihrer eigenen Rechtsordnung – die Gegenseite die Kosten des Rechtsstreits trägt, in Anspruch nehmen und andererseits die Höhe der Kosten für einen Verkehrsanwalt nach dem für sie günstigeren Heimatrecht berechnen.

Für eine einheitliche Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines ausländischen Verkehrsanwalts nach deutschem Recht spricht weiterhin, dass in der Kostenfestsetzung häufig nur mit unverhältnismäßigem Aufwand entschieden werden kann, ob sich die abgerechnete Tätigkeit des ausländischen Rechtsanwaltes auf die reine Vermittlung des Verkehrs mit dem deutschen Prozessbevollmächtigten beschränkt oder ob es sich um eine grundsätzlich nicht erstattungsfähige weiter gehende Prozessbegleitung und Beratung handelt. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall deutlich. Bei der Prüfung aber, ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig ist, ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in zahlreichen Fällen darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – I ZB 29/02, BGHReport 2003, 308 = NJW 2003, 901, unter II 2b aa, zu § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. ZPO).

Weiterhin ist das Beschwerdegericht mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 49 und 50 EG sowie die RL 77/249/EWG des Rates v. 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte einer derartigen Beschränkung der Erstattung von Kosten eines ausländischen Verkehrsanwalts nicht entgegenstehen. Der EuGH hat dies bereits für die Erstattung der Kosten eines ausländischen Rechtsanwalts entschieden, der nach § 28 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) im Einvernehmen mit einem in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwalt handelt (EuGH, Urt. v. 11.12.2003 – Rs. C-289/02, MDR 2004, 358 = NJW 2004, 833). Er hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie die gerichtliche Vertretung eines Mandanten in einem anderen Mitgliedstaat unter den für die in diesem Staat niedergelassenen Rechtsanwälte vorgesehenen Bedingungen ausgeübt werden müsse und dass eine Kostenerstattungspflicht nach den Regeln dieses Staats für eine Partei, die einen Rechtsstreit austrage und somit Gefahr laufe, im Unterliegensfall die Kosten ihres Gegners zu tragen, dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit Rechnung trage. Dies gilt auch für die Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts; es ist deshalb kein Grund ersichtlich, deren Erstattungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Art. 49 und 50 EG sowie der erwähnten Richtlinie anders zu beurteilen.