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LAG Hamm: Beiordnung eines Verkehrsanwaltes im Rahmen der Prozesskostenhilfe

09.09.2022 , Redaktion fixthedate.de
Beigeordnete Verkehrsanwältin
Beigeordnete Verkehrsanwältin

LAG Hamm Beschluss vom 15.2.2018 – Aktenzeichen 5 Ta 447/17

Vorinstanz: ArbG Hagen vom 02.06.2017 – Aktenzeichen 3 Ca 392/17

Normen: ZPO § 121 Abs. 4; ZPO § 121 Abs. 3

Leitsätze

1. Der Partei ist im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe jedenfalls dann ein Verkehrsanwalt beizuordnen, wenn es sich nicht um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt, der auch eine telefonische oder schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten am Gerichtssitz als ausreichend erscheinen lässt.

2. Beträgt die einfache Entfernung vom Wohnsitz der Partei zum Gerichtsort 420 Km und erfordert eine Reisezeit von mehr als vier Stunden einfache Fahrt, so ist auch eine Informationsfahrt zu einem Prozessbevollmächtigten am Gerichtssitz nicht zumutbar, vielmehr ist die Partei berechtigt, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen Prozessbevollmächtigten am Wohnort zu beauftragen.

3. In diesem Fall ist die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes geboten, soweit die hierdurch entstehenden Kosten nicht höher liegen als 110 % der eingesparten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten am Wohnort der Partei.

(Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, VIII ZB 30/02, FamRZ 2003, 441; vom 9. Oktober 2003, VII ZB 45/02, BGH-Report 2004, 70, 71; vom 11. November 2003, VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430; vom 18. Dezember 2003, I ZB 18/03, BGH-Report 2004, 637 und vom 25. März 2004, I ZB 28/03, BB 2004, 1023; BAG Beschluss vom 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03, NZA 2005, 1078)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 26.06.2017 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 02.06.2017 - 3 Ca 392/17 - in der Fassung des Abänderungsbeschlusses vom 28.07.2017 wird der Beschluss abgeändert.

Dem Kläger wird im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe Rechtsanwalt Dr. I aus Coburg, als Korrespondenzanwalt beigeordnet und Rechtsanwalt L aus Hagen als Hauptbevollmächtigter.

Gründe

I. Der Kläger hatte unter dem 09.02.2017 bei dem Arbeitsgericht Bamberg, Kammer Coburg eine Zahlungsklage erhoben und zugleich eine Kündigungsschutzklage. Seine Bitte an die Beklagte, sich rügelos bezüglich der örtlichen Unzuständigkeit einzulassen, wurde von der Beklagten abgelehnt und das Verfahren an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Hagen verwiesen.

In der Folge beauftragte der Kläger, der nach Coburg verzogen war, Rechtsanwalt Dr. I aus Coburg mit seiner Vertretung in den Rechtstreitigkeiten, die im Gütetermin am 31.03.2017 zur gemeinsamen Verhandlung zum vorliegenden Aktenzeichen erster Instanz verbunden wurden.

Mit Schriftsatz vom 22.03.2017 beantragte der Kläger sodann die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I als Korrespondenzanwalt sowie die Beiordnung des am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts L. Mit Schreiben vom 25.04.2017 bat das Gericht um Erläuterung, weshalb die Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes notwendig sei. Mit Schreiben vom 27.04.2017 machte der Kläger geltend, dass die Anreise nach Hagen für ein Informationsgespräch mit einem ansässigen Rechtsanwalt angesichts der Fahrtstrecke von 423 km einfacher Weg und einer erforderlichen Fahrzeit von mehr als vier Stunden einfacher Weg nicht zumutbar sei.

Mit Beschluss vom 02.06.2017 bewilligte das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe unter Anordnung einer Ratenzahlung bezogen auf einen Streitwert von 3.102,75 €, lehnte die Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes als nicht erforderlich ab und ordnete Rechtsanwalt Dr. I aus Coburg ohne Einschränkung bei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss (Bl. 78 - 81 PKH-Akte) Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 08.06.2017 zugestellten Beschluss wandte sich der Kläger mit der am 26.06.2017 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Ratenzahlung sowie der verweigerten Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes. Hierbei stellte er darauf ab, dass die Kosten eines Korrespondenzanwaltes die Kosten einer Informationsreise nicht übersteigen würden.

Mit Änderungsbeschluss vom 28.07.2017 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde insoweit ab, als die Bewilligung nunmehr ohne Anordnung einer Ratenzahlung erfolgt. Im Übrigen wurde der Sachverhalt dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässig und begründet.

1.) Die sofortige Beschwerde ist zulässig, die erforderliche Beschwer ist gegeben. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist das Arbeitsgericht bei der Prüfung des Antrages des Klägers nicht von den hier gegebenen Voraussetzungen, insbesondere nicht von dem konkreten Antrag des Klägers ausgegangen.

a) Der Kläger hatte gerade nicht die unbeschränkte Beiordnung seines am Wohnort wohnenden, nicht aber im Gerichtsbezirk ansässigen Prozessbevollmächtigten beantragt, die dann im Übrigen gewährt wurde, obwohl dieses gem. § 121 Abs. 3 ZPO und dem sich daraus ergebenden Mehrkostenverbot nicht ohne weiteres möglich ist. Grundsätzlich kann ein außerhalb des Gerichtsbezirks ansässiger Rechtsanwalt nur dann ohne Einschränkungen beigeordnet werden, wenn hieraus Mehrkosten nicht entstehen. Ansonsten hat die Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes zu erfolgen. Da diese Regelung zwingend durch das Gesetz vorgegeben ist, ist davon auszugehen, dass dem Prozesskostenhilfe beantragenden Rechtsanwalt bekannt ist, dass eine Beiordnung nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verlangt werden kann. Eine Einverständniserklärung des Rechtsanwaltes mit dieser Verfahrensweise erübrigt sich; ein Hinweis des Gerichtes ist nicht erforderlich (LAG Hamm Beschluss v. 05.03.2014, 5 Ta 107/14; LAG Hamm Beschluss v. 18.08.2008, 7 Ta 519/08, juris).

Vor der Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk zugelassenen Rechtsanwaltes ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs. 4 ZPO gegeben sind. Hierzu bedarf es keines Antrages der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei, vielmehr handelt es sich um eine Inzidentprüfung, da im Fall einer ansonsten erforderlichen Beiordnung keine Mehrkosten entstehen würden (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2004 - XII ZB 61/04 -, NJW 2004, 2749; BAG Beschluss vom 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03, NZA 2005, 1078; juris; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Auflage, 2016, Rz. 691 ff). Kurz gesagt, wäre ansonsten die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes erforderlich, kommt eine Beiordnung des Rechtsanwaltes nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes, somit unter Verzicht auf zumindest einen Teil der Reisekosten, nicht in Betracht.

Mit der unbeschränkten Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes, wie vorliegend im Ergebnis erfolgt, ist diese Frage an sich positiv entschieden, da die unbeschränkte Beiordnung des nicht gerichtsansässigen Rechtsanwaltes nur dann möglich ist, wenn ansonsten ein Verkehrsanwalt beizuordnen gewesen wäre. Die Mehrkostengrenze des § 121 III ZPO ist, wenn die Partei auf die tatsächliche Inanspruchnahme eines Verkehrsanwaltes verzichtet, dann erst überschritten, wenn der Verfahrensbevollmächtigte so weit außerhalb des Gerichtsbezirks niedergelassen ist, dass die dadurch entstehenden Reisekosten noch höher ausfallen, als die Reisekosten eines bezirksansässigen Anwalts und die Kosten eines Verkehrsanwalts. Darauf ist die Erstattungsfähigkeit dann zu begrenzen (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 07. März 2017, 13 WF 56/17, Rn. 5, juris; entsprechend LAG Nürnberg, Beschluss vom 05. Dezember 2012, 7 Ta 98/12, juris), was vorliegend allerdings nicht geschehen ist. Dem Klägervertreter wäre es daher unbenommen gewesen, eine volle Erstattung seiner Fahrkosten zu beantragen. Eine nachträgliche Einschränkung einer unbeschränkten Beiordnung kommt nämlich nicht in Betracht, auch nicht im Wege der Auslegung bei durchzuführender Kostenfestsetzung (OLG Hamm, Beschluss vom 16. März 2017, II-6 WF 26/17, Rn. 9, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 01. Oktober 2008, 8 W 958/08, juris).

b) Diese Rechtsprechung bezieht sich aber jeweils auf die Frage, ob eine Partei zu Recht die unbeschränkte Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes im Rahmen zu bewilligender Prozesskostenhilfe beantragt hat.Allerdings entsprach eine alleinige Beiordnung des Rechtsanwalts I gerade nicht dem Antrag des Klägers. Der Beschluss des Arbeitsgerichtes datiert vom 02.06.2017. Zu diesem Zeitpunkt war der Gütetermin am 31.03.2017 bereits durchgeführt worden. Fahrtkosten für den Prozessbevollmächtigten am Wohnort des Klägers sind tatsächlich nicht entstanden, da der Kläger im Termin durch den als Hauptbevollmächtigten benannten Rechtsanwalt L vertreten wurde. In diesem Fall wäre es lediglich möglich, die Fahrtkosten “fiktiv” danach zu bemessen, welche Fahrtkosten, begrenzt auf die mögliche Inanspruchnahme eines Verkehrsanwaltes, abrechenbar wären. Dieses würde wiederum dem ursprünglich gestellten Hauptantrag des Klägers auf Beiordnung eines Hauptbevollmächtigten im Gerichtsbezirk sowie eines Verkehrsanwaltes am Wohnsitz oder hilfsweise andersherum, entsprechen. Ob eine Bewilligung “fiktiver” Fahrtkosten, die tatsächlich nicht entstanden sind, bis zur Grenze der tatsächlich für den Verkehrsanwalt entstandenen Aufwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren möglich wäre (offen gelassen bei einer ähnlichen Fragestellung OLG Dresden, Beschluss vom 01. Oktober 2008 - 8 W 958/08 -, juris) scheint fraglich.

Da somit durch die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, obwohl weitgehender gefasst als beantragt, letztlich eine Unsicherheit über den Umfang der Beiordnung entstanden ist, ergibt sich vorliegend auch die Beschwer des Klägers.

2.) Entsprechend des Antrags des Klägers ist daher zu prüfen, ob die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes überhaupt erforderlich war.

Gem. § 121 Abs. 4 ZPO ist ein Verkehrsanwalt beizuordnen, wenn besondere Umstände vorliegen. Diese sind dann gegeben, wenn der Partei die Anreise zu einem im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt nicht zuzumuten ist, sei es aufgrund einer großen Entfernung, persönlicher Gebrechlichkeit, besonders schlechter Verkehrsanbindung oder sonstiger persönlicher Gründe (zu allem mit Beispielen und Nachweisen siehe nur Zöller-Geimer; ZPO, 32. Auflage, 201, § 121 Rz. 20; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, a.a.O., Rz.: 699 ff). Die Kammer geht dabei mit dem BAG (Beschluss vom 18. Juli 2005- 3 AZB 65/03, a.a.O.) davon aus, dass es einem Rechtsuchenden grundsätzlich nicht zumutbar ist, einen auswärtigen Anwalt schriftlich oder telefonisch zu beauftragen und zu unterrichten. Dies gilt jedenfalls, soweit es sich nicht lediglich um einen sehr einfach gelagerten Sachverhalt, wie etwa die Geltendmachung einer abgerechneten Forderung geht, soweit hier eine Beiordnung überhaupt in Betracht käme. Mit dem BAG (a.a.O.) geht die Beschwerdekammer davon aus, dass die Erforderlichkeit in einem Kündigungsschutzprozess regelmäßig vorhanden sein dürfte.

Dabei ist auch die neuere Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2004 - XII ZB 61/04 -, a.a.O.), wonach auch im Rahmen der Beiordnungsbedingungen der durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 596/03 - NJW 2004, 1789) Rechnung zu tragen und bei der Auslegung auch die Rechtsprechung zur Erstattung der Kosten für Verkehrsanwälte, wonach im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts am Sitz des Gerichts auch die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Verkehrsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. ZPO (BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, VIII ZB 30/02, FamRZ 2003, 441; vom 9. Oktober 2003, VII ZB 45/02, BGH-Report 2004, 70, 71; vom 11. November 2003, VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430; vom 18. Dezember 2003, I ZB 18/03, BGH-Report 2004, 637 und vom 25. März 2004, I ZB 28/03, BB 2004, 1023) zu betrachten ist.

a) Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt ist und ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen will, wird nämlich in aller Regel einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen und ihn gegebenenfalls mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Sie wird dies wegen der räumlichen Nähe und in der Annahme tun, dass zunächst ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich ist. Diese Erwartung ist berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung ist der Rechtsanwalt zunächst auf die Tatsacheninformation der Partei angewiesen. Diese kann in aller Regel nur in einem persönlichen mündlichen Gespräch erfolgen. Häufig wird zudem nach einer(Klage)Erwiderung der Gegenseite ein zweites Gespräch notwendig sein, weil der Rechtsanwalt ergänzende Informationen seiner Partei benötigt oder weil später entstandene Missverständnisse auszuräumen sind (grundlegend für die Rechtsanwendung mit Rücksicht auf die seit 1. Januar 2000 erweiterte Postulationsfähigkeit BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, VIII ZB 30/02, Rn. 16, juris).

b) Ist aber die Beauftragung eines Rechtsanwaltes am Wohnort als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. ZPO anzusehen, hat der rechtmäßig beauftragte Rechtsanwalt auch einen Erstattungsanspruch für die entstehenden Reisekosten und Abwesenheitsgelder gem. Ziff. 7003 bis 7005 Anlage 1) RVG. Die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes kann in diesen Fällen nur dann nicht als angemessen im Sinne der Kostenschonung angesehen werden, wenn die Kosten eines Verkehrsanwaltes die ersparten Reise- und Abwesenheitsgelder mehr als geringfügig (ca. 10 %) übersteigen (BAG, wie vor).

c) Vorliegend war die Beauftragung eines am Wohnort ansässigen Rechtsanwaltes allerdings erforderlich. In den zum dann führenden Aktenzeichen 3 Ca 392/17 zusammengeführten Verfahren 3 Ca 392/17 und 3 Ca 404/17 ging es um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Klägers, wobei ein wirksamer Zugang streitig war, sowie Vergütungsansprüche bei Krankheit, wobei die Rechtzeitigkeit der Meldung von Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit streitig war. Insgesamt lag damit kein unterkomplexer Sachverhalt vor. Der Kläger hat zwar durch seinen Umzug nach Coburg, weg vom bisherigen Arbeitsort, dazu beigetragen, dass die Beiordnung eines weit vom Prozessgericht entfernt ansässigen Rechtsanwaltes erforderlich wurde. Dabei war aber zu beachten, dass der Kläger durch diesen Umzug zu seiner Ehefrau in die auch während der Tätigkeit bei der Beklagten weiter gemietete Wohnung in Coburg zurückgezogen ist und dort vor Ort neue Arbeit gefunden hatte. Die zusätzlichen Kosten sind daher nicht mutwillig herbeigeführt worden.

Zu berücksichtigen war dabei auch, dass der Kläger seine Klage zunächst selbst zur Geschäftsstelle des Arbeitsgerichtes Bamberg, Kammer Coburg, erhoben und den Verzicht der Beklagten auf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erbeten hatte. Nachdem sich die Beklagte diesem Ansinnen verschlossen und einen Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt hatte, war es erforderlich, dass der Kläger zunächst einen Rechtsanwalt vor Ort mit der Angelegenheit betraut hatte, mit dem das weitere Vorgehen zu besprechen war. Eine lediglich telefonische oder schriftliche Beauftragung und Beratung zum Sachverhalt durch einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt war von dem Kläger unter diesen Voraussetzungen nicht zu verlangen. Eine Anfahrt zu einem Besprechungstermin bei einer Fahrtzeit von mindestens acht Stunden mit dem PKW nicht zumutbar.

Soweit das Arbeitsgericht sich für die von ihm bejahte Zumutbarkeit einer Anfahrt auf die Entscheidung des BGH vom 07.06.2006 (XII ZB 245/04, juris) berufen hat, übersieht es, dass sich diese zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts im Berufungsverfahren vor Inkrafttreten der neuen anwaltlichen Vertretungsregelung durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetzes am 1. August 2002 bezieht. Da im Berufungsverfahren neues Vorbringen nur eingeschränkt zulässig ist und vor der Gesetzesänderung ohnehin ein Rechtsanwalt vor Ort zwingend zu beauftragen war, kam die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten am Wohnort der Partei nur sehr eingeschränkt in Betracht. Im Berufungsverfahren konnte danach die Beteiligung eines Verkehrsanwalts überhaupt nur dann notwendig werden, wenn ein neuer tatsächlich oder rechtlich besonders schwieriger Prozessstoff in das Verfahren eingeführt wurde. Dabei entsteht für den Berufungsbeklagten ein Bedürfnis für die Einschaltung eines Verkehrsanwalts deshalb erst nach Zustellung der Berufungsbegründung (BGH, Beschluss vom 21. September 2005, IV ZB 11/04, Rn. 11, juris). Das gilt nach Einführung der Gesetzesänderung und vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Rechtsprechung des BGH ab 2002 (bereits ausführlich zitiert) so nicht mehr. Denn im Gegensatz zur Beratung mit dem Prozessvertreter zweiter Instanz geht es bei der Erstbeauftragung zur Einleitung eines Verfahrens gerade um die Aufarbeitung des kompletten Sachverhaltes, um eine Forderung durch entsprechenden Tatsachenvortrag zu untermauern, dessen Ergänzung in zweiter Instanz gem. §§ 531 ZPO, 67 ArbGG nur noch sehr eingeschränkt möglich ist. Ist aber eine umfassende Information vonnöten, die nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen kann, so ist die Partei berechtigt, dieses bei einem Anwalt an ihrem Wohnsitz vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 06. Mai 2004, I ZB 27/03, juris; siehe auch BAG, Beschluss vom 18. Juli 2005, 3 AZB 65/03, a.a.O.).

Vorliegend hätten die Reiseaufwendungen des Hauptbevollmächtigten in Coburg für einen Termin 844 km für An- und Abfahrt sowie eine Fahrtzeit 4 Stunden 18 Min pro Strecke (ermittelt mit Routenplaner) betragen. Die gem. Ziff. 7003 Anlage 1) RVG hierfür zu berechnenden Auslagen betragen 844 km x 0,30 €, somit 253,20 €. Das Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Ziff. 7005 beträgt bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden 70,00 €, es ergeben sich 323,20 € pro Termin, bei zwei Terminen 646,40 € an Reisekosten.

Für den Verkehrsanwalt fallen nach der nicht zu beanstandenden Berechnung des Arbeitsgerichtes im Nichtabhilfebeschluss vom 28.07.2017 (Bl. 123/124 PKH-Akte) 252,00 € Gebühr nach Ziff. 3400 Anlage 1) RVG zzgl. Unkostenpauschale 20,00 € und Mehrwertsteuer insgesamt Kosten von 323,68 € an. Die Beiordnung des Rechtsanwalts I als Korrespondenzanwalt ist daher günstiger als es die ihm zu erstattenden Fahrtkosten bei seiner Beiordnung als Hauptbevollmächtigter wären. Dies gilt auch bei einer ex ante vorzunehmenden Einschätzung, wenn unterstellt wird, dass der Kläger nicht von der Erforderlichkeit zweier Termine ausgehen durfte.

Im Übrigen hätten auch die Auslagen des Klägers allein für eine Informationsreise bei 846 km x 0,25 € = 211,50 € gem. § 91 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2, 1 Abs. 1 Nr. 3 JVEG zuzüglich Verpflegungsgeld von 12,00 € gem. § 6 JVEG i.V.m. §§ 4 Abs. 5 Satz 1, Nr. 5 S. 2, 9 Abs. 4 Nr. 3 EStG gelegen, insgesamt somit 213,50 €, wobei hier auch bei einer ex ante Betrachtung die Erforderlichkeit von zwei Besprechungsterminen je nach Einlassung der Beklagtenseite vom Kläger angenommen werden durfte.

Es war daher wie geschehen zu entscheiden.

Da der Kläger mit der sofortigen Beschwerde erfolgreich war, werden Kosten gem. Ziff. 8614 Anl. 1 GKG nicht erhoben.