LAG Sachsen-Anhalt: Erstattung fiktiver Reisekosten und Abwesenheitsgelder aus der Staatskasse für die Beauftragung eines Terminsvertreters
LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7.4.2022 – Aktenzeichen 3 Ta 72/21
Vorinstanz: ArbG Halle vom 31.7.2020 – Aktenzeichen 5 Ca 2038/19
Normen: RVG § 5; RVG § 45 Abs. 1; RVG § 46 Abs. 1; RVG § 55; RVG-VV Nr. 7005; GKG § 66 Abs. 2; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; ZPO § 121 Abs. 3; ZPO § 124; ArbGG § 11a Abs. 3; BGB § 133
Themen:
Der beigeordnete Rechtsanwalt kann aus der Landeskasse die Erstattung der Kosten für die Beauftragung eines Terminsvertreters (§ 5 RVG) begrenzt auf die fiktiven Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung verlangen, soweit diese bei Terminswahrnehmung durch ihn selbst angefallen und erstattungsfähig gewesen wären.
Leitsätze
1. Maßgeblich für die Auslegung von Prozesserklärungen sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln.
2. Im Rahmen der Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist anerkannt, dass die Kosten eines Unterbevollmächtigten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten sind, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart wurden. Nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung ist hierzu eine entsprechende Vergleichsrechnung vorzunehmen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 31. Juli 2020 - 5 Ca 2038/19 (PKH) - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23. Juli 2021 unter ihrer Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert.
Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers werden die ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf insgesamt 675,44 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Erstattung fiktiver Reisekosten und Abwesenheitsgelder aus der Staatskasse für die Beauftragung eines Terminsvertreters als sonstige Auslagen des Prozessbevollmächtigten des Klägers (fortan: Beschwerdeführer).
Der Kläger machte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Halle Zahlungsansprüche mit einem Gesamtwert von 4.458,67 € geltend und begehrte hierfür mit der am 06. November 2019 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des in M... ansässigen Beschwerdeführers.
Für den Gütetermin vom 21. November 2019 erteilte der Beschwerdeführer einem bei dem Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt eine Terminsvollmacht im eigenen Namen, der eine Gebührenvereinbarung über 85,- € netto zugrunde lag. Entsprechend erfolgte auch die Terminswahrnehmung und deren Abrechnung durch den beauftragten Rechtsanwalt gegenüber dem Beschwerdeführer (Kostenrechnung vom 21. November 2019, Anlage 1 zum Antrag auf Festsetzung von PKH-Gebühren vom 25. November 2019, Bl. 29 PKH-Heft). Eine Bevollmächtigung des Terminsvertreters durch den Kläger oder in dessen Namen erfolgte ausdrücklich nicht.
Der Rechtsstreit endete mit rechtskräftig gewordenem Versäumnisurteil vom 21. November 2019. Das Arbeitsgericht Halle bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 06. Dezember 2019 rückwirkend zum 06. November 2019 einschränkungslos ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers (Bl. 24 PKH-Heft). Eine Beiordnung auch des Terminsvertreters wurde weder beantragt noch bewilligt.
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 25. November 2019 (Bl. 27 f. PKH-Heft) die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen bei dem Streitwert von 4.458,67 €:
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG | 334,10 € |
0,5 Terminsgebühr Nr. 3105 VV RVG | 151,50 € |
Post- und Telek.pauschale Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
sonstige Auslagen Nr. 7006 VV RVG .. | 85,00 € |
Terminsvertreter | |
Zwischensumme | 590,60 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG | 112,21 € |
Summe | 702,81 € |
Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts Halle setzte mit Verfügung vom 18. Februar 2020 (Bl. 32 f. PKH-Heft), die am 06. April 2020 an den Beschwerdeführer abgesandt wurde, die gemäß § 55 RVG aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 574,29 € fest und wies sie zur Zahlung an. Die Terminsgebühr setzte er auf 128,50 € fest. Die sonstigen Auslagen setzte er vollständig ab, da diese Kosten von dem PKH-Bewilligungsbeschluss nicht erfasst seien.
Mit Schriftsatz vom 09. April 2020 (Bl. 45 f. PKH-Heft) forderte der Beschwerdeführer die Zahlung auch der Kosten für den Terminsvertreter unter Fristsetzung zum 13. April 2020. Zur Begründung führte er aus, dass er sich die Frage stelle, ob der Rechtspfleger seine Begründung zur Festsetzung der Terminvertreterkosten überhaupt gelesen habe, da er sich hierzu überhaupt nicht äußere. Die Verweigerung der Auszahlung der Terminvertreterkosten sei eine bodenlose Frechheit.
Die Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg vom 01. April 2019 (26 Ta (Kost) 6009/19) und LAG Nürnberg vom 19. September 2019 (6 Ta 82/19) die Ansicht vertreten, dass fiktive Reisekosten des Terminsvertreters nach § 5 RVG nicht erstattungsfähig seien.
Der Rechtspfleger bei dem Arbeitsgericht Halle hat mit Beschluss vom 25. Mai 2020 das Schreiben des Beschwerdeführers vom 09. April 2020 als Erinnerung gewertet, ihr unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 07. Mai 2020 jedoch nicht abgeholfen und sie dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer hat die fiktiven Reisekosten mit Schriftsatz vom 02. Juni 2020 wie folgt berechnet:
Fahrtkosten (202 km) Nr. 7003 VV RVG | 60,60 € |
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG | 25,00 € |
Zwischensumme | 85,60 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) | 16,26 € |
Summe | 101,86 € |
Das Arbeitsgericht Halle hat die Erinnerung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 31. Juli 2020 unter Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die auch von der Bezirksrevisorin angeführten Entscheidungen ausgeführt, dass Kosten eines Terminsvertreters nach §§ 2, 13 RVG vergütet werden könnten, soweit es sich um gesetzliche Gebühren oder Erstattungstatbestände handele. Daran fehle es jedoch vorliegend, da der Terminsvertreter einen eigenen gesetzlichen Vergütungsanspruch mangels Bevollmächtigung durch den Kläger nicht erworben habe. Für diesen Fall folge aus § 5 RVG, dass dem Verfahrensbevollmächtigten die Verhandlungsgebühr erhalten bleibe, obwohl er nicht an der Verhandlung teilgenommen habe. Fahrtkosten könnten nicht bewilligt werden, da diese nicht angefallen seien.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit dem 06. August 2020 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage “sofortige Beschwerde” eingelegt und zur Begründung umfänglich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Terminsvertreters gemäß § 91 ZPO verwiesen. Richtigerweise könne diese Erstattung jedenfalls bis zur Höhe “(fiktiver) Kosten” verlangt werden. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juli 2021 nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 31. Juli 2020 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23. Juli 2021 hat im Wesentlichen Erfolg.
I. Die als Beschwerde zu wertende “sofortige Beschwerde” des Beschwerdeführers ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG statthaft, auch wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € nicht übersteigt, da das Arbeitsgericht sie in dem angefochtenen Beschluss wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Wirksamkeit der Zulassung steht nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht sich zu ihrer Begründung auf § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG gestützt hat, sich die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung - wie vom Rechtspfleger zutreffend angenommen - jedoch nach § 55 RVG richtet. Dem Beschluss lässt sich der eindeutige Wille entnehmen, die Klärung der vorliegenden Rechtsfrage durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen. Die Beschwerde ist auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist eingelegt worden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
II. Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG einen Anspruch auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung in Höhe von insgesamt 675,44 €. Er kann die Festsetzung der Kosten für die Beauftragung des Terminsvertreter begrenzt auf die fiktiven Reisekosten einschließlich Abwesenheitsgelder verlangen, soweit diese bei Terminswahrnehmung durch ihn selbst angefallen und erstattungsfähig gewesen wären.
1. Zu Recht hat der Rechtspfleger den Schriftsatz vom 09. April 2020 als Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 18. Februar 2020 gewertet und über diese entschieden. Dem steht nicht entgegen, dass in dem Schriftsatz weder die Kostenfestsetzung des Rechtspflegers ausdrücklich bezeichnet wird noch erklärt wird, dass Erinnerung eingelegt werde, wie es von einem Rechtsanwalt erwartet werden könnte.
a) Entsprechend § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO muss die Erinnerung die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Erinnerung gegen diese Entscheidung eingelegt werde.
b) An der ausdrücklichen Erklärung und Bezeichnung fehlt es zwar. Jedoch sind an die Formalien keine strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn das Schreiben den Willen hinreichend klar erkennen lässt, die Entscheidung möge sachlich geprüft werden (vgl. zu § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO: LAG Rheinland-Pfalz 18. Oktober 2012 - 3 Ta 169/12, Rn. 7; BGH 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02, Rn. 6). Diesen Anforderungen wird der Schriftsatz vom 09. April 2020 gerecht.
aa) Maßgeblich für die Auslegung von Prozesserklärungen sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus der Sicht des Erklärenden nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen (vgl. nur: BAG 26. Januar 2021 - 3 AZR 119/19 (A), Rn. 7; BAG 21. Mai 2019 - 2 AZR 26/19, Rn. 12; BAG 28. August 2019 - 5 AZR 425/18, Rn. 12). Wegen der geringeren Formstrenge des Erinnerungsverfahrens reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den Erinnerungsführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, hinreichend klar erkennen lässt, auch wenn es die Bezeichnung als Erinnerung nicht ausdrücklich enthält (BGH 23. Oktober 2002 - IX ZB 369/02, zu II. der Gründe = Rn. 6).
bb) Dem genügt der Schriftsatz vom 09. April 2020 bei der gebotenen großzügigen Auslegung.
(1) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Kostenfestsetzungsverfügung vom
18. Februar 2020 erst am Montag, den 06. April 2020 zur Post gegeben wurde. Selbst bei einer Postlaufzeit von drei Tagen muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer hiervon im Zeitpunkt der Übersendung des Schriftsatzes per beA am 09. April 2020 um 14:19 Uhr Kenntnis hatte, die erforderlich ist, um den Schriftsatz als Erinnerung auslegen zu können. Das folgt zudem daraus, dass der Beschwerdeführer mutmaßt, dass der Rechtspfleger seine Begründung aus dem Antrag auf Festsetzung der PKH-Gebühren vom 25. November 2019 nicht gelesen habe. Diese Vermutung kann er nur angestellt haben, wenn er zu diesem Zeitpunkt die Kostenfestsetzung vom 18. Februar 2020 bereits erhalten hatte.
(2) In dem der Beschwerdeführer darauf verweist, dass die Kostenfestsetzung keine Auseinandersetzung mit seiner Begründung zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für den Terminsvertreter enthalte und unter Berücksichtigung der Fristsetzung zur Erstattung dieser Kosten bis zum 13. April 2020 macht er hinreichend deutlich, dass der Rechtspfleger seine Entscheidung überprüfen soll. Zugleich macht er damit den Umfang der Anfechtung deutlich, die sich damit nicht mehr auf die teilweise Absetzung der begehrten Terminsgebühr bezieht. Hierzu finden sich weder Ausführungen im Schriftsatz vom 09. April 2020 noch im weiteren Verlauf des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens.
2. Der Erstattungsanspruch ist in Höhe von insgesamt 675,44 € begründet.
a) Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs bestimmen sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Umfang der Beiordnung (Toussaint, Kostengesetze, 51. Aufl., § 48 RVG, Rn. 7). Der Vergütungspflicht steht im Streitfall nicht entgegen, dass die Bewilligung erst mit Beschluss vom 06. Dezember 2019 rückwirkend zum 06. November 2019 erfolgte. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beiordnung ist für das Festsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG bindend. Eine Überprüfung der Richtigkeit des Bewilligungszeitpunktes kann nicht mehr erfolgen (Bayerisches LSG 18. März 2015 - L 15 SF 241/14 E, Rn. 23).
b) Erstattungsfähig sind gemäß § 46 Abs. 1 RVG die Auslagen, insbesondere Reisekosten, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren. Dazu gehören auch die Kosten für die Beauftragung des Terminsvertreters, jedoch begrenzt auf die fiktiven Reisekosten des Beschwerdeführers, die entstanden wären, wenn er den Gütetermin bei dem Arbeitsgericht Halle selbst wahrgenommen hätte. Es ist insoweit eine Vergleichsberechnung mit den durch die Beauftragung des Terminsvertreters nach § 5 RVG entstandenen Kosten vorzunehmen.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass der Terminsvertreter keinen eigenen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat, da die Beiordnung des Terminsvertreters gemäß § 121 Abs. 4 ZPO weder beantragt noch bewilligt worden ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob eine solche Beiordnung überhaupt möglich gewesen wäre (vgl. zum Sach- und Streitstand dieser in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage nur: Gottschalk in: Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 9. Aufl. 2020, Rn. 707). Selbst aus der fehlenden Möglichkeit der Beiordnung kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein Anspruch auf Auslagenerstattung für die Beauftragung des Terminsvertreters nicht besteht. Vielmehr sind die Kosten für die Wahrnehmung des Termins durch den Terminsvertreter jedenfalls in dem Umfang aus der Staatskasse zu erstatten, in dem sie bei einem persönlichen Auftreten des beigeordneten Rechtsanwalts entstanden wären.
bb) Der Auslagenerstattungsanspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer die nach dem Anwaltsvertrag zu erbringenden Dienste in eigener Person (§ 613 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) schuldet. § 5 RVG sieht eine Vergütung auch für den Fall vor, dass der Rechtsanwalt, der eine Tätigkeit nicht persönlich erbringt, sich durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lässt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Innenverhältnis zum Kläger nicht berechtigt gewesen ist, sich durch einen Terminsvertreter vertreten zu lassen. In gleicher Weise wie die Partei muss daher auch die Staatskasse die vertragsgemäße Erfüllung der Anwaltspflichten durch einen Vertreter im Sinne von § 5 RVG gegen sich gelten lassen, da die Beiordnung auf eine Anwaltstätigkeit im Rahmen eines privatrechtlichen Anwaltsvertrages abstellt (Bayerisches LSG 18. März 2015 - L 15 SF 241/14 E, Rn. 24 mwN).
cc) Soweit das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 01. April 2019 (26 Ta (Kost) 6009/19, Rn. 12 ff.; ihm folgend: LAG Nürnberg 19. September 2019 - 6 Ta 82/19, Rn. 18) angenommen hat, dass im Falle einer Terminsvertretung nach § 5 RVG eine Erstattung fiktiver Reisekosten nicht möglich sei, da anders als im Fall der Unterbevollmächtigung gesetzliche Kosten nicht entstünden, weil in diesem Fall der Terminsvertreter für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr “erarbeite” und im Gegenzug dafür den mit dem Prozessbevollmächtigten vereinbarten Betrag erhalte, sodass sich im Ergebnis der auswärtige Prozessbevollmächtigte und der Terminsvertreter die Gebühren, die der auswärtige Prozessbevollmächtigte seiner Partei in Rechnung stellen könne, mit der Folge teilen würden, dass der Partei keine zusätzlichen Kosten durch die Beauftragung des Terminsvertreters entstünden, ist dieser Auffassung nicht zu folgen.
dd) Die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Beauftragung des Terminsvertreters, begrenzt auf die fiktiven Reisekosten wie sie bei einem persönlichen Auftreten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten vor dem Prozessgericht entstanden wären, folgt aus § 46 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung (BVerwG 16. März 1994 - 11 C 19/93, Rn. 37; OLG Schleswig 30. August 1984 - 9 W 79/84 JurBüro 1985, 247 zu § 126 BRAGO; Brandenburgisches OLG 05. März 2007 - 10 WF 45/07, Rn. 3 zur Terminsgebühr; Brandenburgisches OLG 18. Mai 2007 - 6 W 151/06; OLG Hamm 18. Oktober 2013 - II 6 WF 166/13, 6 WF 166/13, Rn. 5; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. RVG VV 3401 Rn. 138; sehr weitgehend: LAG Niedersachsen 12. Juli 2006 - 10 Ta 351/06, Rn. 2 in einem obiter dictum; Schultzky in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. Rn. 31; Schneider, NZFam 2016, 1094, 1095 f, zu IV.).
ee) Nur ein solches Verständnis der §§ 45 ff RVG (vgl. OLG Hamm 18. Oktober 2013 - II 6 WF 166/13, 6 WF 166/13, Rn. 6) gewährleistet die verfassungsrechtlich gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebotene weitgehende Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten (vgl. dazu: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11. August 2020 - 2 BvR 437/20, Rn. 4). Im Rahmen der Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist anerkannt, dass die Kosten eines Unterbevollmächtigten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten sind, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähigen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten durch die Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (BGH 26. Februar 2014 - XII ZB 499/11, Rn. 8 und BGH 10. Juli 2012 - VIII ZB 106/11, Rn. 7 mwN).
ff) Die Vornahme einer Vergleichsberechnung ist auch ansonsten dem Prozesskostenhilferecht nicht fremd. So sind nach dem Mehrkostenverbot gemäß § 121 Abs. 3 ZPO die Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten insoweit aus der Staatskasse erstattbar, als die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart wurden. Unter besonderen Umständen hat eine Partei das Recht, dass ihr zur Vermittlung des Verkehrs mit dem - am Gerichtsort ansässigen - Prozessbevollmächtigten ein Rechtsanwalt beigeordnet wird (§ 121 Abs. 4 2. Alt. ZPO). Soweit unter diesen Voraussetzungen durch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart werden, sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts entstehenden Reisekosten erstattbar (BAG 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03, Rn. 16). Sind diese Reisekosten aber erstattbar, dann verringert sich der Erstattungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nicht dadurch, dass er auf seine Kosten einen Terminsvertreter im eigenen Namen beauftragt.
c) Erstattungsfähig sind danach über die erfolgte Festsetzung von 574,29 € weitere 101,15 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den fiktiven Fahrtkosten von 60,- € (2 x 100 km - nicht 101 km, wie vom Beschwerdeführer seiner Vergleichsberechnung zugrunde gelegt - multipliziert mit dem Kilometersatz von 0,3 €) zuzüglich des Tage- und Abwesenheitsgeldes von 25,- € (Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG), dessen Höhe nicht in Streit steht, und der Mehrwertsteuer von 16,15 €.
d) Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer seinen Kanzleisitz nicht im Bezirk des angerufenen Arbeitsgerichts Halle hat und die Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des Beschwerdeführers und des Prozessgerichts größer als die größtmögliche Entfernung im Bezirk des Prozessgerichts ist.
aa) Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt (vgl. dazu nur: 14. Oktober 2009 -2 Ta 114/09, Rn. 27 ff) zunächst zu prüfen, ob Reisekosten entstehen können. Können Reisekosten anfallen, so ist zu klären, wie weit die Niederlassung (Kanzleisitz) des von der Partei beauftragten Rechtsanwaltes vom Prozessgericht entfernt liegt, und wie groß die Entfernung zwischen dem Ort im Bezirk des angerufenen Gerichts, der am weitesten zum Gerichtsort entfernt liegt, und dem Sitz des Arbeitsgerichts ist. Nur wenn diese Entfernung geringer ist als diejenige zwischen der Niederlassung des Rechtsanwaltes und dem Prozessgericht, können überhaupt höhere Reisekosten, die gemäß § 121 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG einer Beiordnung entgegenstehen können, anfallen. Die größte Entfernung im Bezirk des Arbeitsgerichts Halle ist, abgesehen vom Gerichtstag Naumburg, 85 km (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 14. Oktober 2009 -2 Ta 114/09, Rn. 32).
bb) Eine Beschränkung des Erstattungsanspruchs auf die Entfernung von 85 km war jedoch nicht vorzunehmen, da das Arbeitsgericht den Beschwerdeführer, wenn auch ohne Begründung, einschränkungslos beigeordnet hat. Dieser Beschluss ist wirksam und wurde auch in der Folgezeit nicht nach § 124 ZPO aufgehoben. Für das Kostenverfahren ist er daher bindend. Für den Kostenbeamten und das Beschwerdegericht ist sogar eine (gesetzwidrige) Beiordnung eines auswärtigen Anwalts außerhalb von § 121 Abs. 3, 4 ZPO bindend (Bayerisches LSG 20. Oktober 2020 - L 12 SF 62/17 E, Rn. 20; Toussaint, Kostengesetze, 51. Aufl., § 48 RVG, Rn. 7).
e) Zurückzuweisen war die Beschwerde, soweit der Rechtspfleger und ihm folgend das Arbeitsgericht die Terminsgebühr auf 128,50 € statt der begehrten 151,50 € - jeweils zuzüglich der Mehrwertsteuer - festgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mangels Begründung im Ergebnis zu Recht nicht. Die Unrichtigkeit der Berechnung ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
III.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergehen (§ 78 Satz 3 ArbGG). Sie ergeht kostenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG) und ist unanfechtbar, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).