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BGH: Wer trägt die Kosten eines vom Hauptbevollmächtigten beauftragten Terminsvertreters

29.05.2024 , Redaktion fixthedate.de
Fallbesprechung Rechtsanwalt Mandant
Fallbesprechung Rechtsanwalt Mandant

BGH Beschluss vom 22.5.2023 – Aktenzeichen VIa ZB 22/22

Leitsatz

Beauftragt der Hauptbevollmächtigte einer Partei gegen ein Honorar einen Terminsvertreter, um den Anfall von abrechenbaren Kosten in einer das Honorar übersteigenden Höhe zu vermeiden, stellt das vereinbarte Honorar die Gegenleistung allein für die Wahrnehmung des Termins im eigenen Gebühreninteresse des Hauptbevollmächtigten dar und kann der Partei nicht als Aufwendung des Hauptbevollmächtigten in Rechnung gestellt werden (Anschluss an BGH, Beschluss vom 9.5.2023 – Aktenzeichen VIII ZB 53/21).

Siehe hierzu auch: BGH, Beschluss vom 26.03.2024 - Aktenzeichen VI ZB 58/22

Normen

BGB §§ 670, 675; ZPO §§ 91 I 1, 104; RVG § 5; RVG VV Nr. 3202, 3401, 7003 bis 7006, Vorbem. 7 I 2

Aus den Gründen

I. Der in München wohnhafte Kl. beauftragte in Düsseldorf ansässige Rechtsanwälte (im Folgenden Hauptbevollmächtigte), vor dem LG München I Ansprüche gegen die Bekl. im Zusammenhang mit dem sogenannten „Dieselskandal“ geltend zu machen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem LG trat für den Kl. ein in München ansässiger Rechtsanwalt auf, dem die Hauptbevollmächtigten eine Terminsvollmacht erteilt hatten. Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt und erlegte die Kosten des Rechtsstreits der Bekl. auf. Dagegen legte die Bekl. Berufung ein. In der Verhandlung vor dem OLG München wurde der Kl. erneut durch einen in München ansässigen Rechtsanwalt unter Vorlage einer Terminsvollmacht seiner Hauptbevollmächtigten vertreten. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Bekl. kostenpflichtig zurück.

Der Kl. hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, für die erste und die zweite Instanz neben den Terminsgebühren Kosten für die Terminsvertreter i.H.v. 200 Euro und 220 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, mithin von 499,80 Euro, nebst Zinsen angemeldet. Hierzu hat er an die Hauptbevollmächtigten gerichtete Rechnungen der Terminsvertreter über mit diesen vereinbarte Pauschalvergütungen nebst Umsatzsteuer vorgelegt.

In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss v. 6.12.2021 hat das LG die Kosten für die Terminsvertreter abgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Kl. ist erfolglos geblieben (OLG München, NJW-RR 2022, 1506). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kl. seinen Antrag auf Festsetzung weiterer 499,80 Euro nebst Zinsen weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde des Kl. hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 I 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere hat der Kl. das Rechtsmittel wirksam eingelegt und begründet. Zwar war ihm der angefochtene Beschluss entgegen §§ 329 II 2, 575 I 1, II 2 ZPO noch nicht zugestellt, sondern nur formlos übersandt und ist der Fehler mangels Zustellungsabsicht des Beschwerdegerichts durch den tatsächlichen Zugang des Beschlusses nicht nach § 189 ZPO geheilt worden. Das Rechtsmittelverfahren kann jedoch auch vor dem gesetzlich festgelegten Beginn für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 575 I 1, II 1 ZPO) wirksam eröffnet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 18.6.2020 – I ZB 83/19, NJW-RR 2020, 1191 Rn. 8 bis 12; Beschl. v. 23.9.2021 – I ZB 9/21, NJW-RR 2021, 1651 Rn. 8; BAG, NJW 2008, 1610 Rn. 9 f.).

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die vom Kl. geltend gemachten Kosten für die Einschaltung der Terminsvertreter seien weder unter dem Gesichtspunkt ersparter Reisekosten der Hauptbevollmächtigten noch als von ihnen getätigte Auslagen festsetzungsfähig. Da die Terminsvertreter von den Hauptbevollmächtigten beauftragt worden seien, seien keine gesetzlichen Gebühren zu ihren Gunsten angefallen, die mit Blick auf sonst entstandene Reisekosten der Hauptbevollmächtigten erstattungsfähig sein könnten. Die den Haupt- bevollmächtigten aufgrund der Vergütungsvereinbarungen mit den Terminsvertretern erwachsenen Kosten seien auch nicht als gesetzliche Auslagen erstattungsfähig, weil die von den Hauptbevollmächtigten geschuldete Wahrnehmung der Gerichtstermine durch die infolge der Einschaltung der Terminsvertreter verdienten Terminsgebühren abgegolten sei.

b) Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Nach § 91 I 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insb. die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Gemäß § 91 II 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Danach kann die obsiegende Partei diejenigen gesetzlichen Gebühren und Auslagen des von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen, die zu ihren Lasten tatsächlich angefallen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZB 223/06, NJW 2008, 1087 Rn. 7).

bb) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kl. an die Terminsvertreter keine Vergütungen zu entrichten hat, die mit Blick auf von den Hauptbevollmächtigten ersparte Reisekosten zu erstatten sein könnten.

(1) Hat die Partei selbst oder in ihrem Namen ihr Prozessbevollmächtigter einen Rechtsanwalt mit der Terminsvertretung beauftragt, so fallen zulasten der Partei nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren – so eine hälftige Verfahrensgebühr (Nr. 3401 VV RVG) und eine Terminsgebühr (Nr. 3402 VV RVG) – sowie ggf. Auslagen des Terminsvertreters an. Solche Kosten stellen nach der Rechtsprechung des BGH notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. (Nr. 3104, 3202 VV RVG). In diesem Fall wird zwischen der Partei und dem Terminsvertreter kein Vertragsverhältnis begründet, das eine Vergütungspflicht der § 91 I 1, II 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Terminsvertreters erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – VIII ZB 87/20, NJW-RR 2023, 205 Rn. 12 und 19; Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21 Rn. 12 f.; jeweils m.w.N.).

Hat der Prozessbevollmächtigte der Partei dagegen im eigenen Namen einen Rechtsanwalt mit der Terminsvertretung beauftragt, so ist der Terminsvertreter regelmäßig Erfüllungsgehilfe des Hauptbevollmächtigten und erhält deshalb nach § 5 RVG der Hauptbevollmächtigte die gesetzliche Terminsgebühr Partei begründen könnte, sondern richtet sich der Anspruch des Terminsvertreters auf das vereinbarte Honorar gegen den Hauptbevollmächtigten als seinen Auftraggeber (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 122/98, NJW 2001, 753, 754; Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.7.2011 – IV ZB 8/11, VersR 2012, 737 Rn. 8 f.).

(2) So liegt der Fall hier. Die Rechtsbeschwerde zieht nicht in Zweifel, dass die Hauptbevollmächtigten die Terminsvertreter im eigenen Namen mit der Wahrnehmung der Verhandlungstermine gegen Zahlung der in Rechnung gestellten Pauschalhonorare beauftragt haben. Dann aber hat der Kl. an die Terminsvertreter keine Vergütungen zu entrichten, die bis zur Höhe gesetzlicher Gebühren, begrenzt durch die fiktiven Reisekosten der Hauptbevollmächtigten, erstattungsfähig sein könnten.

cc) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die von den Hauptbevollmächtigten geschuldeten Pauschalhonorare auch keine erstattungs- fähigen gesetzlichen Auslagen der Hauptbevollmächtigten i.S.v. § 91 I 1, II 1 ZPO darstellen.

(1) Nach Vorbemerkung 7 I 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt, soweit nichts anderes bestimmt ist, Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) verlangen. Durch den Verweis auf die zivilrechtlichen Bestimmungen zum Aufwendungsersatz wird klargestellt, dass die in Teil 7 VV RVG konkret aufgeführten Auslagentatbestände nicht abschließend sind (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 59. Edition [Stand: 1.3.2023], VV Vorbem. 7 Rn. 3; Toussaint/Schmitt, Kostenrecht, 53. Aufl., Vorbem. 7 VV RVG Rn. 2).

Ob ein Prozessbevollmächtigter, der einen Rechtsanwalt im eigenen Namen mit der Wahrnehmung eines Verhandlungstermins beauftragt hat, das diesem versprochene Honorar als Aufwendung im Sinne der vorgenannten Bestimmungen erstattet verlangen kann, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur umstritten (zum Meinungsstand vgl. BGH, Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21 Rn. 26 bis 28 sowie N. Schneider, AGS 2022, 529, 532 f.; Hansens, ZfSch 2022, 639, 642 f.). Der BGH hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass solche Kosten keine erstattungsfähigen Aufwendungen i.S.v. Vorbem. 7 I 2 VV RVG i.V.m. §§ 670, 675 I BGB sind.

Der Hauptbevollmächtigte, der die – einen (Haupt-)Gegenstand des Mandats bildende – Wahrnehmung des Verhandlungstermins gegen Zahlung einer Vergütung auf einen Terminsvertreter überträgt, erbringt keine fremdnützige Leistung, wie sie für einen Aufwendungsersatz nach § 670 BGB erforderlich ist, sondern handelt zu eigenen geschäftlichen Zwecken (BGH, Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21 Rn. 32). Zudem betrifft das dem Terminsvertreter geschuldete Honorar für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins eine Tätigkeit, für die der Hauptbevollmächtigte nach § 5 RVG selbst die Terminsgebühr verdient und die deshalb bereits durch die gesetzliche Vergütung abgegolten ist (BGH, Beschl. v. 9.5.2023, a.a.O., Rn. 33 f.). Die Terminsgebühr deckt grundsätzlich auch den finanziellen Aufwand ab, der einem Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Terminswahrnehmung entsteht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15.10.2019 – 25 W 242/19, juris Rn. 28; OLG Köln, NJW-RR 2022, 283 Rn. 7; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 5 RVG Rn. 22).

(2) Die Rechtsbeschwerde macht erfolglos geltend, die Prozessbevollmächtigten des Kl. hätten mit der im eigenen Namen erfolgten Beauftragung Form von gesetzlichen Reiseauslagen bei eigener Wahrnehmung der Verhandlungstermine (Nr. 7003 bis 7006 VV RVG), sei es in Form von hälftigen Verfahrensgebühren der Terminsvertreter bei deren Beauftragung namens des Kl. (Nr. 3401 VV RVG) – zu vermeiden. Sie hätten deshalb fremdnützig im Kosteninteresse des Kl. gehandelt (vgl. dazu N. Schneider, AGS 2022, 529, 532).

Auch in Ansehung einer solchen Motivation stellten nach dem Inhalt der Vergütungsvereinbarungen die Pauschalhonorare die Gegenleistung allein für die Wahrnehmung der Verhandlungstermine im eigenen Gebühreninteresse der Hauptbevollmächtigten dar. Diese anwaltliche Tätigkeit kann der Partei nicht doppelt – mit den durch die Terminsvertretungen verdienten Terminsgebühren der Hauptbevollmächtigten (Nr. 3104, 3202 VV RVG i.V.m. § 5 RVG) und zusätzlich mit den von ihnen an die Terminsvertreter gezahlten Pauschalhonoraren als Aufwendungen i.S.v. Vorbem. 7 I 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB – in Rechnung gestellt werden (Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 5 RVG Rn. 22; vgl. auch MünchKommBGB/F. Schäfer, 9. Aufl., § 677 Rn. 46; Staudinger/Bergmann, BGB, Neubearb. 2020, Vorbem. zu §§ 677 Rn. 132).

Sofern die Prozessbevollmächtigten eigene Anreisen zu den Verhandlungsterminen, verbunden mit dem Anfall von gesetzlich vorgesehenen Reiseauslagen, vermeiden wollten, stand es ihnen frei, in Absprache mit dem Kl. die Terminsvertreter in dessen Namen zu beauftragen. In diesem Fall hätten zwar nicht die Hauptbevollmächtigten, sondern die Terminsvertreter die Terminsgebühren verdient und wären zu deren Gunsten überdies hälftige Verfahrensgebühren angefallen, die die vereinbarten Pauschalhonorare gegebenenfalls überstiegen hätten. Dies gibt jedoch keinen Grund, die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehenen Regelungen zu unterlaufen, indem die Prozessbevollmächtigten des Kl. die Terminsvertreter selbst beauftragen, durch deren Tätigkeit eigene Terminsgebühren verdienen und anstelle der gesetzlichen Reiseauslagen die den Terminsvertretern versprochenen Honorare als „unbenannte“ Aufwendungen abrechnen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15.10.2019 – 25 W 242/19, juris Rn. 29; OLG Köln, NJW-RR 2022, 283 Rn. 8).