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OLG Naumburg: Keine fiktiven Reisekosten bei Terminswahrnehmung durch Terminsvertreter

27.09.2022 , Redaktion fixthedate.de
Terminsvertreter mit Laptop
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OLG Naumburg Beschluss vom 28.8.2021 – Aktenzeichen 2 W 40/21 (KfB)

Vorinstanzen:
LG Magdeburg Beschluss vom 30.3.2021 – Aktenzeichen 10 O 412/19

Leitsätze

1. Hat der Hauptprozessbevollmächtigte einer Prozesspartei den Termin der mündlichen Verhandlung nicht selbst wahrgenommen, sondern stattdessen einen Vertreter mit Termins-Untervollmacht entsandt, dann ist hinsichtlich der Reisekosten grundsätzlich auf den Vertreter abzustellen. Sind dessen tatsächliche Auslagen betragsmäßig geringer als die fiktiven Auslagen des Hauptprozessbevollmächtigten, so sind Reisekosten nur in Höhe der tatsächlichen Kosten erstattungsfähig.

2. Ein Abwesenheitsgeld ist nicht erstattungsfähig, wenn die Reise nicht durch den allgemeinen Stellvertreter oder einen angestellten Rechtsanwalt, sondern durch einen externen Unterbevollmächtigten ausgeführt wird.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Magdeburg vom 30.03.2021 dahin abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 3.806,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2021 festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Beschwerdewert wird auf 254,60 € festgesetzt.

Gründe

A. Mit Beschluss vom 30.03.2021 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Magdeburg auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Oberlandesgerichts Naumburg und der Kostenfestsetzungsanträge der Klägerin vom 07.01.2021, für die II. Instanz korrigiert mit Antrag vom 25.03.2021, die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten für die I. und II. Instanz auf insgesamt 3.928,83 € festgesetzt.

Gegen diesen ihr am 07.04.2021 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.04.2021, am gleichen Tage bei dem Landgericht Magdeburg eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Mit dieser hat sie eingewandt, dass die Klägerin, da die für sie aufgetretenen Terminsvertreter von ihren Prozessbevollmächtigten – unstreitig – im eigenen Namen beauftragt worden seien, nur die jeweils angefallene Terminsgebühr erstattet verlangen könne, nicht aber Aufwendungen der Prozessbevollmächtigten für den Terminsvertreter oder fiktive Reisekosten.

Mit Beschluss vom 04.06.2021, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Magdeburg – Rechtspflegerin – der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

B. I. Für die Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 568 S. 1 ZPO die Einzelrichterin zuständig, da die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen worden ist. Die Voraussetzungen von § 568 S. 2 ZPO liegen nicht vor.

II. Die gemäß §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insb. die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.

1. Eine Terminsgebühr ist sowohl in I. als auch in II. Instanz angefallen und zu erstatten, auch wenn die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Termine jeweils nicht persönlich wahrgenommen haben.

Dies ergibt sich aus § 5 RVG, wonach die Vergütung für eine Tätigkeit, die der Rechtsanwalt nicht persönlich vornimmt, nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemessen, wenn er durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. Der Terminsvertreter ist im Regelfall Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten und verdient die Gebühr für diesen (z. B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Juli 2017 – 8 W 321/15 –, zitiert nach juris Rz. 4). Diese Voraussetzung liegt in beiden Instanzen vor, weshalb die Klägervertreter in beiden Instanzen von der Klägerin die volle Vergütung verlangen können, die sie auch erhalten hätten, wenn sie die entsprechende Tätigkeit selbst ausgeführt hätten (z. B. Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 25 Auflage, 2021, § 5 Rz. 8; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 2015, § 5 Rz. 18). Diese Kosten sind gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähig, was von der Beklagten mit der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen wird.

2. Die Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als das Landgericht für die Reisekosten auf die fiktiven Kosten der Prozessbevollmächtigten selbst abgestellt hat.

Denn wenn eine Stellvertretung gemäß § 5 RVG vorliegt, ist auch hinsichtlich der Reisekosten auf den Vertreter abzustellen (z. B. Mayer in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 5 Rz. 9) und nicht auf die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die unstreitig keinen der Termine selbst wahrgenommen haben. Bei der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten geht es um Auslagen des Prozessbevollmächtigten, die nur erstattungsfähig sind, wenn sie auch tatsächlich angefallen sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Vorbemerkung 7 Abs. 1 zu Teil 7 „Auslagen“ der Anlage 1 zum RVG, wonach der Rechtsanwalt Ersatz von „entstandenen“ Auslagen verlangen kann. Auch in der vom Landgericht angeführten Entscheidung des BGH im Beschluss vom 09.05.2018, I ZB 62/17 ist ausdrücklich über tatsächlich angefallene Reisekosten entschieden worden, die allerdings nur in Höhe von fiktiven Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts erstattungsfähig waren.

Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:

a) Die Reisekosten in I. Instanz sind nur in Höhe von 57,00 € zu erstatten.

Tatsächlich angefallen sind Reisekosten für den Terminsvertreter Rechtsanwalt J. für dessen Anreise von seinem Kanzleisitz in B. . Das Landgericht hat insoweit zutreffend gemäß der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Kosten nur insoweit als erstattungsfähig angesehen, als sie angefallen wären, wenn die Klägerin einen Rechtsanwalt beauftragt hätte, der seinen Kanzleisitz im Bezirk des Landgerichts Magdeburg an dem Ort hätte, der am weitesten vom Landgericht Magdeburg entfernt liegt (z. B. BGH, Beschluss vom 09.05.2018, I ZB 62/17, nach juris). Sowohl die Klägervertreter als auch das Landgericht sind davon ausgegangen, dass es sich hierbei um Schierke (Harz) handelt. Laut Google Maps beträgt die kürzeste und schnellste (einfache) Strecke 94,8 km, so dass 190 km anzusetzen sind. Bei 0,30 € pro km ergibt sich ein Betrag von 57,00 € statt der vom Landgericht festgesetzten Summe von 70,80 €.

b) Die Reisekosten in II. Instanz sind nur in Höhe von 31,80 € zu erstatten.

Denn der Terminsvertreter Rechtsanwalt Bs. hat seinen Kanzleisitz in der H. Straße 27, A. . Die einfache Fahrtstrecke beträgt für die von Google Maps vorgeschlagene schnellste Route 52,6 km, so dass insgesamt eine Wegstrecke von 106 km anzusetzen ist. Bei 0,30 € pro km ergibt sich ein Betrag von 31,80 € statt der vom Landgericht festgesetzten Summe von 133,80 €.

c) Soweit das OLG Stuttgart in der bereits zitierten Entscheidung vom 21. Juli 2017 – 8 W 321/15 –, zitiert nach juris Rz. 8 ff.) die Erstattung von fiktiven Reisekosten abgelehnt hat, waren diese dort hilfsweise anstelle der zusätzlich verlangten Kosten der Terminsvertreter geltend gemacht worden. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Klägerin macht die Kosten der Terminsvertreter, die diese (offenbar vereinbarungsgemäß) nur gegenüber den Klägervertretern geltend gemacht haben, nicht im Kostenfestsetzungsverfahren geltend. Der insoweit von der Beklagten mit der Beschwerde auch erhobene Einwand geht deshalb ins Leere.

d) Nicht erstattungsfähig ist hingegen auch das für beide Instanzen geltend gemachte Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7005 VV-RVG, da dieses für die Prozessbevollmächtigten nur entsteht, wenn die Reise durch den allgemeinen Stellvertreter oder einen (angestellten) Rechtsanwalt ausgeführt wird (z. B. Mayer in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 5 Rz. 9). Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt. Das Tage- und Abwesenheitsgeld dient dazu, die Mehrkosten, die durch die Geschäftsreise verursacht werden, z. B. auswärts essen und trinken, auszugleichen. es ist auch Entschädigung für die wegen der Reise nicht mögliche Ausübung sonstiger Geschäfte (z. B. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., Nrn. 7003 – 7006 Rz. 59). Da die Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt nicht abwesend gewesen sind, kann die pauschale Entschädigung nicht geltend gemacht werden.

Auch insoweit ist der Beschluss mit der Beschwerde angegriffen worden, weil die Beklagte die Auffassung vertreten hat, es könne nur die Terminsgebühr erstattet verlangt werden.

e) Es ergibt sich danach folgende Berechnung:

aa) Für die I. Instanz sind als erstattungsfähige Kosten der Klägerin nicht 2.071,55 €, sondern lediglich 2.032,75 € anzusetzen (2.071,55 – (70,80 – 57,00) – 25,00).

Es sind deshalb zzgl. der außergerichtlichen Kosten der Beklagten in Höhe von 865,00 € insgesamt 2.897,75 € außergerichtliche Kosten angefallen, von denen die Klägerin 30 % und damit 869,33 € selbst zu tragen hat. Die Differenz zu 2.032,75 € in Höhe von 1.163,42 € hat die Beklagte der Klägerin zu erstatten.

Hinzu kommen Gerichtskosten von 537,30 €, so dass sich als Erstattungsbetrag für die I. Instanz ein Betrag von 1.700,72 € ergibt.

bb) Für die II. Instanz sind als erstattungsfähige Kosten der Klägerin nicht 2.254,58 €, sondern lediglich 2.127,58 € anzusetzen (2.254,58 – (133,80 – 31,80) – 25,00).

Es sind deshalb zzgl. der außergerichtlichen Kosten der Beklagten in Höhe von 1.060,00 € insgesamt 3.187,58 € außergerichtliche Kosten angefallen, von denen die Klägerin 25 % und damit 796,90 € selbst zu tragen hat. Die Differenz zu 2.127,58 € in Höhe von 1.330,69 € hat die Beklagte der Klägerin zu erstatten.

Hinzu kommen Gerichtskosten von 775,00 €, so dass sich als Erstattungsbetrag für die II. Instanz ein Betrag von 2.105,69 € ergibt.

cc) Insgesamt ergibt sich damit ein Betrag von 3.806,41 €, den die Beklagte der Klägerin zu erstatten hat.

dd) Der Anspruch auf die Verzugszinsen folgt aus § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO.

C. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

2. Die Bestimmung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.